Diskussion Populationsentwicklung

Die Population von Pulsatilla oenipontana ging seit der ersten Zählung 1990 (ERSCHBAMER et al. unveröff.) von 1600 Exemplaren auf insgesamt gezählte 181 austreibende Individuen im Jahr 2000 zurück. Selbst wenn man die eventuell vorhandenen methodischen Unterschiede berücksichtigt, muss doch von einem Rückgang um den Faktor 10 in den vergangenen 10 Jahren gesprochen werden. Populationsbiologisch wird dieser Rückgang mit einem Lamda - Wert kleiner als 1 definiert. Dieser Wert wird anhand der Größe "Zuwachs" (Immigration, Geburt) und "Schwund" (Tod und Emigration) auf einer Zeitachse (Nt=Nt-1+B-D+I-E) errechnet (SILVERTOWN & LOVETT DOUST 1993, LARCHER 1994). Die Areale der Teilpopulationen sind nur in zwei Flächen (Arzl / Kapelle und Thaur / Romediuskirche) mit über 100 m² groß genug, um ein Überleben in den nächsten Jahren überhaupt wahrscheinlich zu machen. WINKLER et al. (1999) modellierten anhand der von GANAHL (unveröff.) in den Jahren 1994 - 1996 erhobenen Daten mit Hilfe eines Matrixmodells (CASWELL 1989) die Populationsentwicklung und Aussterbewahrscheinlichkeit von Pulsatilla oenipontana. Sie kamen zum Schluss, dass große Individuen langfristig in zwei der erhobenen Flächen überlebensfähig wären. Für kleinere Individuen wurde die Extinktion in den nächsten 10 bis 20 Jahren errechnet. So pessimistisch diese Prognosen auch waren, so wurden sie doch durch die tatsächlichen Verhältnisse im Gebiet noch übertroffen. Die von GANAHL (unveröff.) angelegte Dauerfläche Rum / Mitte war völlig verschwunden und für die Fläche Rum / Wald ist ein ähnliches Schicksal zu erwarten, wenn die Mähtätigkeit in dieser Fläche nicht aufrechterhalten wird. Angaben für die Minimalgröße einer Population sind schwer zu treffen, zumal diese artspezifisch sein dürfte. BUZA et al. (2000) sprechen von mindestens 30 sexuell reproduzierenden Individuen von Swainsona recta (Fabaceae), MORGAN (1998) von 50 Exemplaren von Rutidosis leptorrhynchoides (Asteraceae).

Die Flächen Rum / Rechts und Thaur / Romediuskirche weisen eine Populationsgröße von über 50 Individuen auf, alle anderen Flächen liegen zum Teil deutlich darunter. Die Individuendichte von Pulsatilla oenipontana auf einer Fläche dürfte für die Arterhaltung nicht die entscheidende Rolle spielen, da sie sich klonal über Rhizome vermehren kann (AICHELE & SCHWEGLER 1957). Die Individuendichte kann jedoch als ein Indikator für die vegetative Vitalität der jeweiligen Population betrachtet werden. Rum / Rechts und Thaur / Romediuskirche weisen mit 1,34 und 1,15 Pflanzen / m² auch hier den höchsten Wert auf. Der Wert von 1,27 für die Flächen Arzl / Naturschutzgebiet, Rum / Links und Rum / Mitte hingegen bedeutet, dass hier die Individuen von Pulsatilla oenipontana solitär stehen. Die Anzahl der Triebe pro Individuum war in allen drei Untersuchungsjahren mit einem Wert um 2 relativ konstant. Vergleicht man diesen Wert jedoch mit der von GANAHL (unveröff.) erhobenen Triebanzahl von ca. 4, liegt auch bei diesem Parameter ein deutlicher Rückgang vor. Betrachtet man die Entwicklung auf den Flächen Rum / Rechts, Rum / Mitte und Rum / Wald, ist ein kontinuierlicher Rückgang von 1,95 im Jahr 1998 auf 1,67 Triebe im Jahr 2000 zu beobachten. Halbiert hat sich auch die Anzahl der Blätter pro Trieb, wobei sich dieser Rückgang besonders drastisch äußert, wenn man nur die Flächen in Rum betrachtet. Im Jahr 2000 konnten nur mehr 1,43 Blätter pro Trieb beobachtet werden im Vergleich zu 5,37 im Jahr 1994. Auch hier scheinen die Flächen Rum / Rechts und Thaur / Romediuskirche die vitalsten Exemplare aufzuweisen. Am meisten Blätter pro Trieb wurden jedoch auf der Fläche Thaur / Wald erfasst. Dies kann als ein Zeichen für eine leichte Erholung dieser Population (diese Fläche war auch die einzige mit einer Zunahme der Individuen) gewertet werden, oder aber es handelt sich um natürliche Fluktuationen, die bei Populationen dieser Größe üblich sind (GIGON & LEUTERT 1996, FISCHER & STÖCKLIN 1997).

Das verschlechterte vegetative Wachstum von Pulsatilla oenipontana bedingt zwangsläufig auch einen Rückgang der generativen Fitness, weil diese davon abhängig ist, wie viel Assimilate erwirtschaftet wurden und folglich für die Reproduktion verwendet werden können (LARCHER 1994). So ging die Anzahl der Blühtriebe pro Fläche von 1999 auf 2000 ungefähr um die Hälfte zurück, die der blühenden Individuen um ein Drittel. Auch die Anzahl der Blühtriebe pro Individuum verringerte sich von 2,09 im Jahr 1999 auf 1,75 im Jahr 2000. Als symptomatisch mag die Fläche Rum / Wald gelten, in der die Anzahl der Blüten pro Individuum in den Jahren 1994 bis 1996 mit 0,5 gleichbleibend niedrig war. Zu Beginn der vorliegenden Erhebungen kamen überhaupt keine blühenden Exemplare mehr vor. Schwerer zu interpretieren ist die Tatsache, dass in der Fläche Thaur / Romediuskirche die Anzahl der Blühtriebe pro Individuum von 2,41 in Jahre 1999 auf 3,07 im Jahr 2000 anstieg. Bedenkt man jedoch, dass sich gleichzeitig die Zahl der blühenden Individuen pro Fläche von 115 auf 59 erniedrigte, blieb der generative Erfolg mit 181 Blühtrieben im Jahr 2000 deutlich hinter dem des Jahres 1999 mit 277 Blühtrieben pro Fläche zurück. Kleinere Exemplare kommen also gar nicht mehr zur Blüte, während die größeren Individuen ihr generatives Wachstum erhöhen.

Die Anzahl der Früchte pro Blühtrieb ist mit 90 (GANAHL unveröff.), 61,5 (SCHERER 1998), 68,2 (KNOLL 2000) und 78,3 bzw. 75,3 trotz der zum Teil sehr unterschiedlichen methodischen Ansätze ein vergleichsweise konstanter Wert. Erklärbar ist das dadurch, dass der generative Erfolg einer kleinen Population durch Umwelteinflüsse und genetische Mechanismen bestimmt wird, Fruchtreife und Keimprozent jedoch maternal bestimmt werden (OOSTERMEIJER et al. 1994, LUIJTEN et al. 2000). Dies erklärt auch den relativ hohen Prozentsatz an gekeimten Samen im ersten Jahr, den GANAHL (unveröff.) feststellte. Eigene Beobachtungen bestätigen dies.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die Populationen von Pulsatilla oenipontana in einem denkbar schlechten Zustand präsentieren. Es interessiert also die Frage, wie es dazu kam bzw. welches die geeigneten Gegenmaßnahmen sind. Dazu müssen einige grundlegende Überlegungen über die Mechanismen der Gefährdung von Magerrasen angestellt werden, um eine Interpretation der momentane Situation zu ermöglichen.

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