Diskussion Konkurrenzexperiment

Schon beim Vergleich einer Brachypodium pinnatum - Pflanze mit einem Individuum von Pulsatilla oenipontana zeigte sich, dass beide zwar in etwa die gleiche Biomasse in diesem Zeitraum produzierten, die Blattfläche von Brachypodium pinnatum aber ungefähr doppelt so hoch war. Auch der LAR war doppelt so groß wie bei Pulsatilla oenipontana. Diese Werte zeigen, dass Brachypodium pinnatum ein vergleichsweise schnellwachsendes, konkurrenzkräftiges Gras ist (GRIME 1977). Intraspezifische Konkurrenz scheint die Ausbreitung von Brachypodium pinnatum nicht hemmen zu können. Eine höhere Pflanzendichte in einem Topf hatte sogar eine signifikante Erhöhung der erwirtschafteten Gesamtbiomasse zur Folge. Die höchste Biomasse konnte in der Serie mit 5 Brachypodium pinnatum - Individuen (entspricht einer Dichte von 636,6 Individuen /m²) erzielt werden, wobei für Brachypodium pinnatum die interspezifische Konkurrenz durch Pulsatilla oenipontana keine Rolle zu spielen schien. Erst ab einem Besatz von 10 Individuen pro Topf (entspricht einer Dichte von 1273,2 Individuen / m²) wirkte sich die intraspezifische Konkurrenz aus, die erwirtschaftete Biomasse ging zurück. Eine signifikante Reduktion der Biomasse trat allerdings erst mit einer zusätzlichen interspezifischen Konkurrenz durch Pulsatilla oenipontana auf. Der relative Gesamtertrag (RYT, relative yield total, SILVERTOWN & LOVETT DOUST 1993), also die Summe des Verhältnisses des Ertrags mit und ohne Konkurrenz der beiden Pflanzen, war bei einem Besatz von fünf Brachypodium pinnatum - Individuen pro Topf 1,32. Damit wurde in Mischkultur mehr Biomasse produziert, als dies das konkurrenzstarke Gras in Reinkultur vermag. Der größere Teil der Biomasse befand sich bei Brachypodium pinnatum zum Erntezeitpunkt oberirdisch. Die vegetative Ausbreitungsstrategie scheint so zu sein, dass zuerst möglichst viel in Blattfläche investiert wird, um den Ertrag aus der Photosynthese zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt in unterirdische Anteile zu investieren (WILMANNS 1998). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich bei Brachypodium pinnatum in einem wenig oder gar nicht bewirtschafteten Kalkmagerrasen um die dominierende Pflanze handelt (STAMPFLI & ZEITER 1999), und sie nur durch ein mechanisches Entfernen kurzgehalten werden kann.

Pulsatilla oenipontana reagierte im Experiment so, wie es von einer langsamwachsenden, konkurrenzschwachen, jedoch stresstoleranten Art (GRIME 1977) zu erwarten war. Sie wurde von Brachypodium pinnatum massiv im Wachstum eingeschränkt, ähnlich wie an den natürlichen Standorten, z.B. auf den Rumer Bicheln. Die Biomasse verringerte sich bei der Konkurrenz durch fünf Brachypodium pinnatum - Individuen auf die Hälfte, bei starkem Konkurrenzdruck durch 10 Brachypodium pinnatum - Individuen sogar auf weniger als ein Drittel. Ein weiteres Ergebnis dieses Experimentes war, dass Pulsatilla oenipontana ein relativ hohes Wurzel / Spross Verhältnis aufweist. Sie investiert also sofort in unterirdische Biomasse, ein typisches Verhalten für stresstolerante Arten (GRIME 1977), die aber relativ wenig oberirdischer Konkurrenz ausgesetzt sind. Es kamen nur Individuen in Reinkultur zur Blüte, ein Zeichen dafür, dass bei Pflanzen in Konkurrenz offensichtlich keine Ressourcen zur generativen Vermehrung der Pflanze zur Verfügung standen. GIGON (1994 b) beschreibt für typische Trockenrasenarten, dass diese bei ausgeschlossener Konkurrenz 5 -17 mal so viele Blätter wie mit Konkurrenz bilden, während dominante Arten ohne Konkurrenz nur 2 - 5 mal so viele Blätter wie mit Konkurrenz bilden. Ähnliche Größenordnungen gelten für die Blütenbildung. Dies veranlasste ihn zu dem Schluss, dass seltene Pflanzen sehr schlechte competitors im Sinne von GRIME (1977) sind. Die extrem langsamen Wachstumsraten von Pulsatilla oenipontana (SCHERER 1998) und die vorliegenden Ergebnisse unterstreichen diese Hypothese.

Die Extinktionsmechanismen einer Pflanzenart in Kalkmagerrasen verlaufen diskontinuierlich und artspezifisch. Trotzdem sind gewisse Parallelen zu beobachten. Nachdem die bedrohte Art durch konkurrenzstarke Gräser (z.B. Brachypodium pinnatum) in ihrem Bestand zurückgedrängt wurde und wird, also an Abundanz und Deckung abnimmt, werden ihre Areale zunehmend disjunkt, bis schließlich nur noch weitentfernte Populationen vorkommen. Die Folgen dieser Entwicklung sind für seltene Kalkmagerrasen fatal, selbst in intakten Habitaten (FISCHER & STÖCKLIN 1997). Am gefährdetsten sind Arten, die eine hohe Habitatsspezifität haben, die kleine Areale besiedeln und besonders Arten, deren Lebensform hohe Populationsfluktuationen erlauben (FISCHER & STÖCKLIN 1997).

Je nach Bestäubungs- und Verbreitungsmechanismen der gefährdeten Arten wird irgendwann der Genfluss zwischen diesen Teilpopulationen zum Erliegen kommen (LUIJTEN et al. 2000). Einerseits vermindert sich die Attraktivität kleiner Populationen für Bestäuber (JENNERTSEN 1988, AGREN 1996, FISCHER & MATTHIES 1997). Individuen zur kreuzweisen Bestäubung fehlen (LUIJTEN et al. 2000) und daraus resultiert eine verringerte Befruchtung der Blüten (MORGAN 1998). Andererseits wird der Genfluss bei zoochor verbreiteten Früchten eingeschränkt (POSCHLOD & BONN 1998, POSCHLOD et al. 1998). Die Konsequenzen einer genetischen Verarmung kleiner, isolierter Populationen wurden vielfach untersucht (ELLSTRAND & ELAM 1993,OOSTERMEIJER et al. 1994,YOUNG et al. 1996 , FISCHER & MATTHIES 1998 b, BUZA et al. 2000, FISCHER et al. 2000, LUIJTEN et al. 2000, LUTZ et al. 2000). Die Folgen sind Inzucht (RAMSEY & VAUGHTEN 1998), geringere Anzahl von polymorphen Loci und effektiven Allelen (LUIJTEN et al. 2000), bei selbstinkompatiblen Pflanzen eine geringere Samenzahl und damit eine genetische Verarmung (ELLSTRAND & ELAM 1993, YOUNG et al. 1996, FISCHER & MATTHIES 1997, MORGAN 1998, BUZA et al. 2000, FISCHER et al. 2000, LUIJTEN et al. 2000) und eine Akkumulation von nachteiligen Mutationen (LANDE 1995, LYNCH et al. 1995). Als Folgen können auch der sogenannte Allee - Effekt (OOSTERMEIJER et al. 1994), die genetische Trift (ELLSTRAND & ELAM 1993), die verminderte Möglichkeit, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren (MENGES 1990, FISCHER et al. 2000) und eine höhere Anfälligkeit für Pathogene (SCHMID 1994) genannt werden.

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