Bedeutung und Gefährdungsgrad

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Trockene Magerstandorte zählen zu den artenreichsten Lebensgemeinschaften (Biozönosen) Mitteleuropas (HOOPER & VITOUSEK 1997, SCHWARTZ et al. 2000). Dies ist auf die vielen Kleinstandorte in enger räumlicher Verzahnung zurückzuführen (GRIME 1997). Sie bieten zahlreichen spezialisierten wärmeliebenden Pflanzen- und Tierarten, die sonst durch Konkurrenz leicht verdrängt werden können, einen Lebensraum . GIGON (1994 a) zählte in dem komplexen System eines Halbtrockenrasen 67 stete Pflanzenarten, 47 davon insektenbestäubt, 23 verdanken ihre Samenverbreitung den Tieren, 59 wuchsen in Symbiose mit Mycorhiza, 14 davon mit Rhizobium. Der Nährstoffkreislauf kann als großmaßstäbliche positive Interaktion zwischen Produzenten und Destruenten betrachtet werden (KNOPS et al. 1999, KNOPS et al 2001, HECTOR et al. 2001). Die Fähigkeit des Halbtrockenrasens, 40 Arten auf einem m² zu beherbergen, kann mit dem „keyhole-key model“ erklärt werden (GIGON & LEUTERT 1996). Demnach können verschiedene Arten verschiedene Mikrohabitate in einem ökosystem besiedeln („biogenic microsite diversity“). Trockene und feuchtere Wetterperioden ermöglichen z.B. das Nebeneinanderleben von Pflanzen mit hoher und niederer Trockentoleranz (HECTOR et al. 1999). Xerobrometen sind deshalb nicht so artenreich, weil durch extreme Bedingungen weniger Mikrohabitate entstehen. In diesem Zusammenhang muss auch die hohe Fluktuation des Deckungsgrades und der Abundanz einzelner Arten gesehen werden (GIGON 1997). Solche exogenen Fluktuationen werden z.B. durch Trockenjahre aber auch durch Unregelmäßigkeiten im Mähzeitpunkt hervorgerufen. Dazu kommen endogene Faktoren, wie die Wirkungen von Pflanzen auf andere Arten. Deren Interferenzen verhindern, dass keine Art langfristig optimale Bedingungen vorfindet. Pflanzenphysiologisch gesehen leben diese Arten also im Dauerstress. Dadurch werden einzelne Arten nicht zu dominant. Den Magerrasen kommt somit als reichhaltiges Artenreservoir an geschützten und gefährdeten Pflanzen und Tieren ein sehr hoher biologischer und naturschützerischer Wert zu. Auch in landschaftsästhetischer Hinsicht nehmen sie einen hohen Stellenwert ein. Trockenrasen stellen zudem ökologische Stabilisierungs-, Puffer- und Ausgleichsflächen im intensiv bewirtschafteten Umland dar, insbesondere für den Boden- und Wasserhaushalt. Ihre kulturgeschichtlich bedeutsamen Bewirtschaftungsformen sind zudem ein wesentliches Element unserer traditionellen Kulturlandschaft.
Da die Magerrasen jedoch Ersatzgesellschaften auf waldfähigen Standorten darstellen, werden sie ohne Erhaltungsmaßnahmen im Laufe der Zeit über verschiedene Sukzessionsstufen der Schlussgesellschaft Wald zustreben. Halbtrockenrasen werden heute als besonders gefährdete Ökosysteme eingestuft, deren Existenz vor allem durch Aufforstungen, Intensivierung der Grünlandnutzung, Flurbereinigung, Verbauung und Freizeitnutzung bedroht ist.
Mit lediglich konservierendem Schutz einzelner Biotope kann diese Entwicklung nicht aufgehalten werden. Notwendig ist vielmehr eine räumliche Vernetzung von Flächen mit ähnlichen Artenspektren und eine dauerhafte Pflege. Das Mesobromion besiedelt die Stellen, die potentiell Wald tragen, die auch als Ackerland und in der kollinen Stufe als Weinberg genutzt werden könnten. Ersetzt man die schwache, ungeregelte oder fehlende Düngung des Mesobromion durch geregelte, kräftige Nährsalzzufuhr, so entstehen sogar Fettwiesen gleicher Trockenheitsstufe, die Ersatzgesellschaft ersten Grades wird zur Ersatzgesellschaft zweiten und dritten Grades.
Entfallen die Mahd oder die extensive Beweidung, so setzt die Syndynamik ein. Zwei verschiedene Wege der Sukzession lassen sich in aufgelassenen Halbtrockenrasen beobachten: Eine Zunahme von Gehölzpflanzen, also eine Verbuschung und in weiterer Folge eine Wiederbewaldung der potentiellen Waldstandorte oder eine Versaumung, d.h. ein Vordringen von Saumarten aus der Klasse der Trifolio–Geranietea. Eine mögliche Sukzessionsreihe von einer Pioniervegetation auf Kalkgestein bis hin zum Buchenwald sei dargestellt.

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